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                                                                                              Andreas (55 Jahre)

Regenbogenfarben

24. Dezember 2015.
In den Fenstern des rotweißen Backsteinhauses glimmen elektrische Lämpchen auf hölzernen Schwibbögen. Kirchenglocken rufen zur Nachmittagschristvesper.
Plötzlich durchbricht ein lauter Knall die weihnachtliche Stimmung. Glas splittert, im nächsten Augenblick schlagen meterhohe Flammen aus einem Fenster.
Wir spielen mit unserem Sohn im Kinderzimmer.
„Bei euch brennt es!“ Nachbarn schreien und hämmern an unsere Wohnungstür. 
Dichter Qualm wälzt sich bereits durch unseren Flur.
Die Gasentwicklung ist lebensgefährlich; schlagartig werden wir müde. Nichts wie raus hier!
Panisch hasten wir ins Treppenhaus. Schnell die Stufen hinunter! Noch bevor wir die Hauseingangstür erreichen, kracht es erneut. Fernseher und Türglasscheiben in unserer Wohnung explodieren infolge der Hitze.  
Endlich erreichen wir den Bürgersteig. Unser Hab und Gut wird von den Flammen verzehrt.
Es ist Heiligabend. Erst dreißig Minuten nach Alarmierung der Feuerwehr hören wir die Sirenen der Löschfahrzeuge. Was die Flammen nicht zerstören, vernichtet das Löschwasser. 
Unser achtjähriger Sohn steht auf der Straße und schreit. Ununterbrochen. Seine Mutter und ich versuchen, ihn zu beruhigen.
Wir spüren die Hitze, die vom ersten Stock unseres Wohnhauses ausgeht. Rauch frisst sich in jede Pore, in jedes Kleidungsstück. Wir Eltern können die lichterlohen Flammen und den Qualm nicht sehen.
Wir sind beide blind.

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